Dokumentationstheaterstück "Mädchen mit Hutschachtel" in Donnersberghalle aufgeführt

Eines der Dunkelsten Kapitel DeutscheR Geschichte erfahrbar machen

Zum historischen Kontext: Der 22. Oktober 1940 ist einer der schwärzesten Tage in der Geschichte Badens, der Pfalz und des Saarlandes. In den frühen Morgenstunden wurden beinahe alle Jüdinnen und Juden verhaftet. So auch in Bruchsal. Sie wurden durch die Stadt zum Bahnhof getrieben und von dort in das Internierungslager Gurs deportiert, was Gurs bis heute zu einem bedeutenden Erinnerungsort der regionalen Geschichte macht. Das Ereignis wurde in einem NS-Propagandafilm mit dem Titel „Bruchsal judenfrei! Die letzten Juden verlassen Bruchsal“ festgehalten. Darin ist unter vielen Menschen ein Mädchen mit einem Koffer zu sehen, der wie eine Hutschachtel aussieht.
Angeregt von Intendant Carsten Ramm und seinen Fragen „Wer war dieses Mädchen?“ und „Was ist aus ihr geworden?“ haben sich die Autorin Lisa Sommerfeldt und die Dramaturgin und Regisseurin Petra Jenni auf Spurensuche begeben und herausgefunden, dass es sich dabei um die heute in den USA lebende 95-jährige Edith Leuchter handelt. Sie war 13 Jahre alt, als sie zusammen mit ihrer Mutter und ihrer Großmutter nach Gurs verschleppt wurde. Ihr Bruder Heinz war zu dieser Zeit in einem Kinderheim in Frankfurt, ihr Vater bereits in den USA. Edith wurde aus dem Lager befreit und musste untertauchen. Nach dem Krieg gelang es ihr, nach New York auszuwandern. Heinz und ihre Mutter wurden in Auschwitz umgebracht.

„Mädchen mit Hutschachtel“ basiert auf Interviews, Tagebüchern, Gerichtsakten und anderen Zeitdokumenten. Es wirft ebenso faktische wie poetisch verdichtete Schlaglichter auf das Schicksal von Edith Leuchter und ihrer Familie. Damit soll eines der dunkelsten Kapitel deutscher Geschichte für nachkommende Generationen erfahrbar gemacht werden.
In Zeiten, in denen ausgrenzende sowie demokratiezersetzende Parteien und Gruppierungen wieder Zuspruch erhalten, sei es besonders wichtig, nicht zu vergessen und Zeichen gegen Rechtsextremismus zu setzen, so Bürgermeister Michael Cullmann.

„Leider sind die Themen Ausgrenzung und Vertreibung, Stichwort ,Remigration`, heute wieder aktueller denn je. Wir tragen die Verantwortung, dass so etwas wie damals nicht mehr passiert – dazu müssen wir und ihr die Augen offenhalten und wachsam bleiben“, appellierte er in seiner Begrüßung. Daher haben wir das Theaterstück zusammen mit dem Bezirksverband Pfalz nach Rockenhausen geholt, um daran zu erinnern, was vor etwa 80 Jahren diesem Mädchen passiert ist, was uns passiert ist.“ Die IGS Rockenhausen bedankte sich anschließend beim Bezirksverband Pfalz und der VG Nordpfälzer Land, die für alle Kosten der Aufführung aufgekommen waren, um das bewegende Schicksal des „Mädchens mit der Hutschachtel“ - und damit aller vertriebenen und ermordeten Menschen - nicht zu vergessen.